135 Jahre Gebrüder Senf 1872 – 2007
- Veröffentlicht am Montag, 02. Juli 2012 10:38
- Geschrieben von Wolfgang Flemming (AIJP), Leipzig
Emil Louis Richard Senf & Wilhelm August Louis Senf
In die Reihe der weltberühmten Philatelisten gehören die Gebrüder Emil Louis Richard Senf, geb. am 02.08.1855 in Leipzig, verstorben am 17.01.1941 eben dort und Wilhelm August Louis Senf, geboren am 02.08.1852 in Leipzig und verstorben am 12.02.1940 in der Pleißestadt während des zweiten Weltkrieges. Richard Senf eröffnete am 22.03.1872 mit noch nicht einmal 17 Jahren in der Messestadt Leipzig, Frankfurter Straße 38, ein Briefmarkenfachgeschäft und verschickte die erste Preisliste. Seine Firma lief jedoch unter der Bezeichnung "H. Wernick, & Co., London. S.E. England", einer englischen Firma, da er für die Gewerbegenehmigung noch nicht volljährig war! Von diesem Unternehmen vertrieb er u.a. die philatelistische Zeitschrift "The Stamp". In die Zeit fällt ebenfalls die Herausgabe des deutschsprachigen "Händleradressbuches" mit über 200 Anschriften - für damalige Verhältnisse eine große Leistung. Louis Senfs erste Geschäftsanzeige ist nachzulesen in der Nr. 18 des "Hamburger Allgemeinen Briefmarken-Anzeigers" vom 15.06.1872.
Privatganzsachenumschlag PU8 und Zusatzfrankatur aus Leipzig (Quelle: Württembergisches Auktionshaus Stuttgart)
Bereits am 01.07.1874 erwirbt Louis Senf durch Kauf von seinem Bruder Richard das Briefmarkengeschäft einschließlich des philatelistischen Verlages mit der Herausgabe des "Illustrierten Briefmarken-Journals".
Illustriertes Briefmarken Journal
Wenige Jahre später, am 01.04.1880, nimmt Louis Senf seinen Bruder Richard in die Firma wieder auf. Im April 1881 wird die gewerbliche Stellung gleichberechtigt vollzogen: Louis Senf übernimmt den Bereich der Briefmarken, Richard Senf die Verlagsabteilung. Die Firma „Gebrüder Senf – Verlagsbuchhandlung und Briefmarkengeschäft“ entstand mit ihrem gemeinsamen Familiennamen. 1890 scheidet Louis Senf aus der Firma. Von diesem Tag an wird die Firma „Gebrüder Senf’ vom Alleininhaber Richard Senf bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 1910 geführt – immer unter dem Namen „Gebrüder Senf, Leipzig“, während der Bruder Louis die Briefmarkenhandlung „W. A. Louis Senf & Co“ in der Leipziger Universitätsstraße 18 eröffnete. Seine Kinder übernehmen 1903 dieses Geschäft, welches bis ca. 1953 im kleinen Umfang in Leipzig-Connewitz bestand.
Plakat zur Geschäftseröffnung W.A. Louis Senf
Richard Senf übergibt am 31.03.1910 seine Firma "Gebrüder Senf' seinem Schwiegersohn und Prokuristen Heinrich Neubauer. Dieser eröffnet erstmalig ein Ladengeschäft am Augustusplatz 8, welches zu Weihnachten 1929 in die Barfußgasse verlegt wurde und noch heutzutage von europäischen Philatelisten gern aufgesucht wird. Unter seiner Leitung werden nach dem ersten Weltkrieg ab 1930 die Auktionen der Gebrüder Senf durchgeführt.
Heinrich Neubauer
Bekannte Philatelisten und Autoren, auch zukünftige Prüfer haben in dieser Firma das ABC der Philatelie erlernt oder mitgeschrieben. Dr. Alfred Moschkau (1840-1912), Markenprüfer und Fachschriftsteller aus Oybin; Theodor Haas; C. Bohnert sen.; Joseph Kröger und Berthold Krüger sollen stellvertretend genannt sein für die inhaltsreichen philatelistischen Zeitschriften der damaligen Zeit. Friedrich Starauschek als späterer Prüfer lernte in dieser Firma...
Aus der Firma Gebrüder Senf treten uns bis in die Gegenwart viele Publikationen entgegen. Die Schattenseite der Philatelie, die Fälschungen und Verfälschungen, hatten ihre ersten Höhepunkte in Europa ca. 1875 bis 1895. Um einem Vertauschen vorzubeugen und Garantie für die Echtheit zu geben, führte die Firma ihre Signatur ein. Sämtliche klassischen Ausgaben aller Welt können mit ihrem Garantie- und Prüfzeichen "Gebr. Senf, Leipzig" auftreten; es zeigt jedoch nicht die gültige Norm der heutigen Prüfsystematik. Aus egoistischer Gewinnsucht werden bekanntlich Prüfzeichen gefälscht.
Prüfungs-Ergebnis vom 31.07.1953 einer Uruguay-Marke von 1858
Nach dem Ableben von Heinrich Neubauer 1945 führte Berthold Krüger bis kurz vor der Wende als Prokurist "die Treuhandfirma in der DDR" weiter. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sehr gern die Firma Senf für Prüfungen in Anspruch genommen, jedoch in der Katalogisierung "Senf".
Fototafel der 48. Senf-Auktion
Am 22.03.1922, anlässlich des 50. Geschäftsjubiläums der Gebrüder Senf, sind im Leitartikel des "Illustrirten Briefmarken-Journals" aus heutiger Sicht bemerkenswerte Gedanken enthalten: "Möge doch die Zeit nicht allzufern sein, wo Handel und Wandel sich wieder in normalen Bahnen bewegen können, zu Nutz und Fromm auch des Briefmarkensammelwesens..." Wolfgang Flemming (AIJP), Leipzig
Anmerkung: Quelle: Katalog LIPSIA 2007