Eine Rarität der preussischen Feldpost ?

Etwa so hatte ein deutsches Auktionshaus vor einiger Zeit einen Brief angeboten, um den es im Folgenden gehen soll. Das Fachpublikum war dieser Einschätzung offenbar nicht gefolgt, weshalb ich den Brief zum Ausrufpreis erwerben konnte.

 

Der Brief (Abb. 1) mit dem Feldpoststempel Clement Nr. 74 bzw. Feuser Nr. 115 hat auf der Innenseite einen Text, der aus dem April 1854 stammt. Dies erscheint zunächst verwunderlich, da der verwendete Feldpoststempel lt. Literatur nur in den Jahren 1848-51 zum Einsatz kam.

Preussische Feldpost 01

Abb.1

Der Stempel selbst enthält kein Datum, so dass man auf den Briefinhalt schauen muss: „ Der Königl. Gerichtskommission zu Schmiedeberg Provinz Sachsen In der Gefreite Waldeschen Vormundschaft zeige ich ergebenst an, daß die Tochter Friederike Louise nach beendigter Erziehung am 30. März d.J. aus dem Pretzscher Waisenhause nach Berlin zur Frau Präsidentin von Bülow in den Dienst entlassen worden ist. Potsdam 4. Apr 54 Ihr Oberst L... „ siehe die Originalschrift in Abb. 2 Wichtig ist, dass der Text innen direkt auf das Umschlagblatt geschrieben wurde.

 

Preussische Feldpost 02

Abb. 2

Der Absender des Umschlags ist laut Verschlussmarke (Abb.3) das „Königlich Preussische 3. Husarenregiment“

 

Preussische Feldpost 03

Abb. 3

Hat hier also der Chef des Regiments (der müsste es bei Dienstgrad Oberst schon sein) im April 1854 von Potsdam nach Potsdam (an's Grosse Waisenhaus) einen Brief geschrieben und dieser wurde mit einem falschen Feldpoststempel (in Friedenszeiten nicht eingesetzt) versehen? Das wäre dann eine echte Rarität, eine extreme Spätverwendung.

 

Dagegen spricht alles mögliche, z.B.:

• Ein Exemplar des Stempels müsste nach dem 1. Dänischen Krieg illegal in den Besitz des 3. Husarenregiment gelangt und dort wider besseren Wissen nach mehreren Jahren verwendet worden sein.

• Der Adressat des Briefes, Generalleutnant von Legat, ist am 17.12. 1852 verstorben. Da er zu den ranghöchsten Militärs in dieser Zeit gehörte, sollte das beim Husarenregiment bekannt gewesen sein.

• Garnison des Regiments war 1854 nicht Potsdam, sondern Rathenow

 

Ein Interpretationsversuch:

Das 3. Husarenregiment kämpfte 1848 im 1. Dänischen Krieg und seine Post wurde damals sicher mit dem Fp-Stempel 115 versehen. Der Gefreite Walde könnte in diesem Feldzug gefallen sein und das Regiment hat sich um seine damit offenbar verwaiste Tochter gekümmert, sprich dem großen Militärwaisenhaus in Potsdam als zuständige Institution Mitteilung gemacht. Die Tochter des Gefr. Walde wurde 1848 oder 1849 auf Weisung von Legats ins Waisenhaus Pretzsch gebracht und die Vormundschaft dem Regiment übertragen. Darüber wurde das Königliche Gericht in Schmiedeberg informiert.

 

Dafür spricht vor allem die räumliche:

Nähe von Pretzsch und Schmiedeberg zu Düben, das von 1831 – 1851 Standort des Regiments in Friedenszeiten war. 1854 lief die Vormundschaft durch „Beendigung der Erziehung“ aus, worüber das zuständige Vormundschaftsgericht zu informieren war. Die Mitteilung lief wieder über das große Militärwaisenhaus in Potsdam, wo der Umschlag für den laufenden Fall aufbewahrt worden war und nun durch Innenbeschriftung mit obigem Text gleich weiter verwendet wurde, um die Nachricht nach Schmiedeberg weiter zu geben.

 

Offen bleibt, auf welchem Wege der zum Briefbogen umfunktionierte Umschlag das Gericht in Schmiedeberg erreichte. Wahrscheinlich durch Einstecken in einen neuen Umschlag, der nicht aufbewahrt wurde.

 

War es so, oder war es anders? Egal, für mich ist der Brief mit seiner Geschichte schon eine Rarität, wenn auch nicht im kaufmännischen Sinne. (Autor: Hans Schäfer)